Versuch einer Rezension: Phil Klay, Wir erschossen auch Hunde

Mal brüllt man vor Lachen ob der Absurdität und unfreiwilligen Komik der amerikanischen Aktivitäten in den Kriegsgebieten im Irak oder in Afghanistan, mal gefriert einem das Blut in den Adern, ob der Brutalität und sinnloser Gewalt.

Klay beschreibt in seinen Kurzgeschichten, die eigentlich eher Miniserien gleichen, den Alltag im Irak oder Afghanistan der laut einem Leutnant zu 50% aus Langeweile, zu 49% aus Angst und zu 1% aus purem Grauen besteht. Die in einem lakonischen, zeitweise staubtrockenen Stil, der manchmal an hard-boiled Serie-noir-Filme gemahnt, verfassten Miniaturen erzählen von Männlichkeitwahn, sinnloser Gewalt und Hass in einem Krieg, der für die Protagonisten längst jeden Sinn verloren hat, so er je einen hatte. Aber vor allem auch von der dauernden Angst, der Verrohung, den Depressionen und der Hilflosigkeit sich Hilfe zu suchen. Vom sich im Stich gelassen fühlen. In und nach dem Krieg. Und Klay stellt die Frage nach der Überlebenschance einer dekadenten Grossmacht, die jedes Mass verloren hat und sich die Legitimation für bewaffnetes Eingreifen gleich selber erteilt. Und sich dann wundert, wenn ihnen nackter Hass entgegenschlägt.

Er erzählt aber auch die Geschichte von verpassten Chancen, von der Absurdität in einem failed country so etwas wie Alltag oder Struktur zu etablieren. Oder der halbherzigen und fruchtlos Hilfe für die Bevölkerung.

… bringen sie Witwen die Bienenzucht bei. (…) Die Botschaft mag abgeschlossene Projekte, die mit unseren Kernprioritäten Frauen, Minderheiten und Jobs übereinstimmen. Bienenstöcke für Witwen sind Frauenprojekte, Witwenprojekte sind Minderheitenschutz und schaffen Jobs! Und werden, da unter 25‘000$ einfach durchgegangen. Perfekt! Ob es was bringt? Interessiert niemanden, Hauptsache Jobs!

Es macht einem fassungslos, wenn man liest, mit welcher Ignoranz die Amerikaner und ihre Koalition der Willigen versucht einer Gesellschaft ihre Vorstellungen vom richtigen Leben überzustülpen, indem es z.B. Baseball als Metapher für das Leben an sich  zu etablieren versucht. Die von Politiker aus der Heimat unterstützten Lieferungen von Baseballtrikots werden von einem wichtigen Wahlkampf-Geldgeber gespendet und zeigen deutlich auf, wie das System der Verflechtungen funktioniert. Der kommandierende Offizier, seinerseits von Finanzierungsbeschlüssen der Politik abhängig, mahnt dazu, die Baseballtrainings auch durchzuführen. Und vor allem, sie auch medial festzuhalten. Denn es geht nicht in erster Linie um die Iraker und ihr Land, sondern um Heimat-Wahlkampf auf dem Rücken der Einheimischen und der Soldaten. Phil Klay erzählt das ohne mahnenden Zeigefinger, ohne die Moralkeule zu schwingen, sondern einfach so, wie es sich abspielt. Das macht seine Schilderungen um so eindringlicher und anklagender.

Phil Klay gelingt es, uns den Krieg oder besser den Nichtfrieden eindrücklich und fesselnd darzustellen. Mal schildert er den Alltag der  der Soladaten wie in einer tragischkomischen, absurden Comedia Dell Arte und mal als Dantes Inferno. Seine Geschichten, die ja auf wahren Begebenheiten basieren, werfen ein grelles Licht auf die Sinnlosigket der Aufgabe und auf die Unmöglichkeit, irgend etwas zu ändern, was die Soldaten völlig demotiviert. Und so kippt die Routine und vermeintliche Ruhe unvermittelt in Gewaltexesse, die Leben auf beiden Seiten auslöschen. Dann ist es urplötzlich vorbei mit Comedia dell arte und das pure Grauen wird nicht mehr nur zwischen den Zeilen sicht- und erlebbar.

Und dann herrscht genauso urplötzlich wieder Ruhe, wieder Alltag. Nur die Bilder gehen den Soldaten und so auch den Lesern nicht mehr aus dem Kopf. Und die Wut steigt, der Hass auf die Einheimischen, deren Verhalten und Denken ihnen fremd ist, von dem sie auch nicht viel wissen wollen. Und die Soldaten fragen sich, wozu sie eigentlich hier sind. Nicht danach, ob der Krieg legitim ist, denn das ist er, sonst wären sie nicht hier, Das ist ihr Job. Aber sie tun eben nicht das, was man in Kriegen so tut. Weil es eben kein Krieg ist, kein wirklicher. Das führt bei den Truppen zu Irritationen und zu Verunsicherung, die sie mit Gewaltanwendung oder Alkohol zu verdrängen suchen. So wendet man sich dann wieder den absurden Dingen zu, wie Bienenstöcke für Witwen oder so etwas. Interessiert ja eh niemand. Ignoranz eben…

Istalquaal, heisst das Freiheit oder Befreiung?

Istalquaal? Istiqlal heisst Unabhängigkeit. Istalquaal heisst gar nichts. Nur, dass Amerikaner kein Arabisch können.

Noch Fragen?

Phil Klay, geboren 1983 diente als Marine im Irak und machte nach seinem Einsatz einen Abschluss als Master of fine arts und arbeitete als Assistent von Richard Ford. Seine Beiträge erschienen in zahlreichen Zeitungen und Magazinen, darunter die New York Times.

Cover-Klay-Hunde

Phil Klay Wir erschossen auch Hunde

Suhrkamp nova

ISBN 978-3-518-46543-1

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